7 Todsünden des Selfpublishing: Geiz

7 Todsünden des Selfpublishing: Geiz

Andrea Hahnfeld

Das Selfpublishing birgt einige Fallstricke – gerade für Anfängerinnen. Wenn du die folgenden sieben Todsünden des Selfpublishing liest, ist es sehr wahrscheinlich, dass du bereits einige davon begangen hast.

Gräme dich nicht darüber: Meines Erachtens gehören sie zum Prozess – und es zeugt von deiner Entwicklung als Selfpublisherin, wenn du die sieben Todsünden im Verlauf deiner Karriere nicht mehr begehst.

Im ersten Teil dieser siebenteiligen Serie geht’s um den berüchtigten »Geiz«. Viele Selfpublisherinnen sparen leider immer noch am Lektorat oder sogar am Korrektorat – und tragen dadurch zum schlechten Ruf der ganzen Selbstverlags-Branche bei.

Aber keine Sorge, der Artikel ist selbstverständlich mit einem Augenzwinkern geschrieben. Ich weiß, dass viele Selfpublisherinnen nicht aus Geiz auf ein Lektorat verzichten, sondern weil es teuer ist und oft die finanziellen Mittel fehlen. Deshalb findest du im Artikels Tipps, wie du dir auch mit kleinem Budget ein Lektorat leisten kannst.

Man holding a bag of money and looking greedy. Text says: 7 Deadly Sins in Selfpublishing, #1 Geiz beim Lektorat

Geiz beim Lektorat: Warum du durch Sparen an der falschen Stelle dein Buch ruinieren kannst

Bücher auf Verlagsniveau werden professionell lektoriert und korrigiert. Das ist teuer. Für ein professionelles Lektorat zahlst du pro Normseite rund 5 EUR. Ein professionelles Korrektorat kostet pro Normseite rund 2 EUR. Bei einem Buch mit »nur« 250 Normseiten kommen da schnell 1.500 EUR zusammen, ehe sich auch nur ein Exemplar verkauft hat.

Gerade beginnende Selfpublisherinnen unterschätzen diese wichtige Investition in die Qualität ihres Buchs – und gute Geschichten bleiben deswegen unter ihrem Potenzial. Wer zudem an der Mindestvoraussetzung Korrektorat spart, riskiert negative Rezensionen und gefährdet langfristig, dass sich das Buch überhaupt verkauft.

Don’t worry. Wir waren alle an diesem Punkt, an dem wir Familie, Freunde und Bekannte »beauftragt« haben – auch ich. Trotzdem solltest du dir diese Kosten keinesfalls sparen, sondern sie auf dem Schirm haben und smart managen. Dazu gibt es drei Erfolgsregeln.

Erfolgsregel #1: Überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten

Ehe du deinen Text überhaupt für ein Feedback aus der Hand gibst, sollte er so weit überarbeitet sein, dass du selbstbewusst hinter deiner Geschichte stehen kannst. Diese Erfolgsregel befolgen selbst große Autorinnen und Autoren.

Schreibe mit geschlossener Tür, überarbeite mit offener. Deine Arbeit beginnt ganz für dich allein, doch irgendwann geht sie hinaus in die Welt. Sobald du weißt, worum es in der Geschichte geht, und sie so gut wie möglich ausgearbeitet hast, gehört sie jedem, der sie lesen oder kritisieren möchte. (Stephen King, Das Leben und das Schreiben: Memoiren*)

In welchem Entwicklungsstadium man einen Text aus der Hand gibt, ist natürlich eine persönliche Präferenz. Während viele Schreibende nach dem ersten Entwurf um Feedback bitten, gibt es andere, die von Anfang an kooperativ schreiben. Und wieder andere, wie einer meiner persönlichen Lieblingsautoren Haruki Murakami, haben einen sehr umfangreichen Prozess, ehe fremde Augen den Text zu lesen bekommen.

… wenn die erste Fassung fertig ist, [beginnt] eine weitere Runde. […] Nachdem ich eine kleine Pause gemacht habe (meist ruhe ich mich ungefähr eine Woche lang aus), mache ich den ersten Durchgang. Dabei überarbeite ich den ganzen Text von vorn. Ich greife stark und umfangreich ein. […] Diese Überarbeitung nimmt einen oder zwei Monate in Anspruch. Ich lasse wieder etwa eine Woche verstreichen und beginne anschließend mit dem zweiten Durchgang. Auch dabei schreibe ich ständig um. (Haruki Murakami, Von Beruf Schriftsteller*)

Dieser kurze Ausschnitt aus Murakamis sehr lesenswertem Buch »Von Beruf Schriftsteller«* zeigt, wie häufig der japanische Erfolgsautor seine Romane überarbeitet, ehe er überhaupt ein erstes Feedback einholt.

Weil ich seinen Prozess so hilfreich finde, habe ich ihn für dich als kleine Grafik aufbereitet.

Wie du siehst, nutzt Murakami ein ausgetüfteltes Überarbeitungsschema. Mit jeder Runde setzt er einen anderen Fokus. Da es unmöglich ist, immer alles auf dem Schirm zu haben, solltest du dir ein persönliches Überarbeitungsschema erarbeiten, das insbesondere deine individuellen Fallstricke berücksichtigt. Bei mir sind es Beschreibungen. In einer eigenen Überarbeitungsrunde feile ich ausschließlich an Beschreibungen und achte darauf, dass ich dabei alle fünf Sinne berücksichtige.

Du kannst dich aber auch an bestehenden Überarbeitungsmethoden wie der Three Draft Method von @quillandinksociety orientieren.

Darüber hinaus solltest du dich mit dem Selbstlektorat vertraut machen, um bessere Vorarbeit leisten zu können. Dazu kannst du entweder eine Weiterbildung machen, um dich zu professionalisieren. Oder du nutzt entsprechende Fachliteratur. Das Buch von Sylvia Englert »So lektorieren Sie Ihre Texte«* gibt viele gute Anregungen.

Erfolgsregel #2: Feedback einholen & Testlesende finden

Murakami holt erst nach der vierten Überarbeitung Feedback von Außenstehenden ein. Er hat für diesen Fall eine Vertraute: seine Frau.

Als Erstes gebe ich den Text, sobald er eine gewisse Gestalt angenommen hat, meiner Frau zu lesen. Ihre Meinung ist für mich sozusagen wie der Kammerton in der Musik. […] Meine Frau hingegen wird in guten wie in schlechten Zeiten meine erste Instanz bleiben. Sie stellt für mich einen »festen Beobachtungsposten« dar. Wer so viele Jahre zusammen ist wie wir, der kann in der Regel bis in kleinste Nuancen hinein verstehen, welche Konnotationen sich aus welchen Eindrücken speisen. […] Das heißt jedoch nicht, dass ich das, was sie mir sagt, auch widerspruchslos hinnehmen kann. […] Ich werde emotional, und mitunter kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen. Einem Lektor könnte ich so harte Worte gar nicht ins Gesicht sagen … (Haruki Murakami, Von Beruf Schriftsteller*)

Auch ich gebe meine Texte zuerst Menschen, deren Meinung ich vertraue. Erstens formulieren sie Kritik auf eine Weise, die ich eher annehmen kann. Zweitens nehmen sie es mir nicht übel, wenn ich etwas emotionaler mit ihnen diskutiere. Diese Diskussionen erstreckten sich bei meinem ersten Buch »The Marvelous Misfits of Westminster«* über mehrere Entwürfe – weil mein Partner selbst nach mehrfacher Überarbeitung nicht verstanden hat, warum die Eppinger magisch sind. Ich habe seine Kritik ernst genommen und so lange am Text gearbeitet, bis mein Partner verstanden hat, was ich ausdrücken wollte.

Überarbeiten heißt übrigens keinesfalls, dass du den Hinweisen deines Feedback-Partners blind folgen musst! Manchmal löst sich eine Problemstelle auf, wenn du deinen Text ganz anders als erwartet umarbeitest. Mein Problem löste sich damals mit dem Einführen einer Rahmenhandlung.

Falls du mehr über den Entstehungsprozess von »The Marvelous Misfits of Westminster« erfahren möchtest, empfehle ich dir die folgenden beiden Blogartikel:

Du solltest also unbedingt Menschen aus deinem näheren Umfeld um Feedback bitten. Finde Menschen, deren Meinung und Geschmack dir wichtig ist. Suche dir deine persönlichen Kammerton-Menschen, an denen du deine Geschichten »stimmst«. Die Diskussionen mit diesen Menschen und die resultierenden Überarbeitungen sind ein wichtiger Schritt vor dem eigentlichen Lektorat und Korrektorat.

Ich empfehle an dieser Stelle zusätzlich eine Handvoll Testlesende aus der Zielgruppe zu finden und deren Feedback bei folgenden Überarbeitungen zu berücksichtigen.

Sylvia Englert weist in ihrem Buch »So lektorieren Sie Ihre Texte«* darauf hin, dass ein einzelner Testleser oft nicht ausreicht. Denn jeder Mensch liest ein Manuskript anders.

Testlesende findest du übrigens nicht nur im Freundes- und Bekanntenkreis oder innerhalb der Familie. Du kannst andere Autorinnen bitten oder Gruppen wie Wattpad, Federteufel oder Scribophile nutzen.

Wichtig ist auch, dass du Testlesende richtig anleitest. Stelle ihnen am besten konkrete Fragen zum Text:

  • Wie fandest du die Grundidee?
  • Welche Figur war dir sympathisch/unsympathisch und warum?
  • Gab es Stellen, die du am liebsten überblättert hättest und warum?
  • Welche Passagen haben dir besonders gut gefallen und was gefiel dir daran besonders gut?

Eine ausführliche Liste mit geeigneten Fragen findest du im Buch »So lektorieren Sie Ihre Texte«.* Außerdem empfehle ich dir an dieser Stelle das Kapitel »Wertschätzendes Feedback stärkt« (353–359) aus meinem eigenen Buch »Tintenspuren – ein persönlicher Guide zum Kreativen Schreiben an der Alice Salomon Hochschule«.* Denn gute Kritik sollte immer konstruktiv sein – auch wenn sie negative Punkte anspricht. Und wie man konstruktives Feedback gibt, kann man lernen.

Nach vielen Überarbeitungsschritten hast du nun ein Manuskript, mit dem du ins Lektorat gehen kannst. Gehe immer mit der bestmöglichen Version deines Textes ins Lektorat!

Erfolgsregel #3: Ins Lektorat mit einem geschliffenen Text

Warum solltest du mit einem geschliffenen Text ins Lektorat? Du bezahlst viel Geld für einen Profi, damit sie dir hilft. Da könnte sie dir doch schon von Anfang an unter die Arme greifen? Jein!

Hast du schon einmal einen Text korrigiert, der sehr viele grundlegende Fehler beinhaltet? Dann hast du sicher festgestellt, wie zeitaufwendig eine solche Bearbeitung ist. Was mehr Zeit kostet, kostet auch mehr Geld!

Zudem beschäftigt man sich bei sehr fehlerbehafteten Texten hauptsächlich mit den Grundlagenproblemen. Zu den Mängeln auf höherem Niveau kommt man erst, wenn die basalen Fehler behoben sind. So ergeht es auch Lektorinnen. Je besser dein Text ist, umso günstiger wird dein Lektorat – und umso mehr Fehler auf hohem Niveau wird die Lektorin finden. Denn nur wenn du einen sehr guten Text lieferst, ist deine Lektorin nicht die meiste Zeit damit beschäftigt, grundlegendes Schreibhandwerk zu verbessern.

Lektorinnen und Lektoren findest du auf unterschiedlichen Plattformen. Bitte beachte, dass die Berufsbezeichnung in Deutschland nicht geschützt ist. Du solltest dir daher genau die Angebote und Dienstleistungen anschauen und auf jeden Fall ein Probelektorat anfragen.

  • Fiverr: Diese Plattform ist derzeit nur eingeschränkt empfehlenswert für deutschsprachige Lektorinnen, da sie vorwiegend den internationalen Markt bedient. Allerdings nehmen die Angebote für das deutschsprachige Lektorat & Korrektorat zu. Auf Fiverr sind die Angebote prinzipiell verhandelbar, die Anbieter leben oft außerhalb von Deutschland. Hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du günstige Angebote für ein Lektorat findest.
  • Reedsy: Diese Plattform habe ich bereits selbst für meine englischsprachigen Bücher genutzt und kann sie dir daher empfehlen. Das Gute daran ist, dass du gezielt nach Lektoren für bestimmte Aufgaben suchen kannst (z. B. Developmental Editing). Allerdings gibt es dort leider keine deutschsprachigen Angebote.
  • Verband der freien Lektorinnen und Lektoren: In diesem Verzeichnis findest du eine große Auswahl an Lektorinnen und Lektoren. Im Gegensatz zu den beiden Plattformen oben kannst du aber nicht einfach ein Angebot annehmen oder ausschreiben. Du musst den Lektorinnen separat schreiben und auf deren Verfügbarkeit hoffen. Allerdings bietet die Webseite inzwischen auch die Möglichkeit, über die Mailingliste eine Projektbeschreibung an über 500 Lektorinnen und Lektoren zeitgleich zu verschicken und so ein unverbindliches Angebot anzufragen. Außerdem findest du auf der Webseite zahlreiche Informationen über das Lektorat, die Abläufe und die Kosten. Übrigens: Nur Personen, die fachliche Praxis im Lektorieren vorweisen können, dürfen Mitglied im VFLL werden. Zusätzlich bietet der Verband seinen Mitgliedern regelmäßige Fortbildungen an.
  • Autorenwelt: Die Webseite ermöglicht dir, nach Lektorinnen zu suchen. Passende Personen musst du individuell anschreiben und deren Verfügbarkeit prüfen.
  • Texthexe.com: Die »Texthexe« Juri Susanne Pavlovic bildet nicht nur Lektorinnen aus. Du kannst auf ihrer Seite auch ein Lektorat anfragen. Ich habe diese Möglichkeit für meine deutschsprachigen Bücher genutzt. Das Besondere: Das Team der Texthexe hat sich auf Selfpbulisherinnen und Debüt-Autorinnen spezialisiert.

Sobald du eine Lektorin gefunden hast, die zu dir passt, solltest du diese Person in dein festes Team aufnehmen und regelmäßig mit ihr zusammenarbeiten. Denn im Lektorat sollte die Chemie zwischen Lektorin und Autorin stimmen. Ein guter Lektor hilft dir mit konstruktiver Kritik und strengem Feedback dabei, deinen Text auf das nächste Level zu heben. Gute Lektorinnen sind wie gute Trainer im Sport: Sie motivieren dich zu Höchstleistungen.

Fazit

Ein professionelles Lektorat und Korrektorat solltest du dir auf keinen Fall sparen, wenn du Bücher auf Verlagsniveau veröffentlichen möchtest. Die Erfolgsregeln #1 und #2 helfen dir dabei, vorab Geld zu sparen – denn ein gut überarbeitetes Manuskript bereitet Lektorinnen weniger Mühe. Zwar zahlst du pro Normseite dasselbe, kommst aber wahrscheinlich mit einer Lektoratsrunde durch (statt mehrere zu benötigen).

Es lohnt sich übrigens auch, zuerst mit kürzeren Geschichten ins Lektorat zu gehen. Kurzgeschichten mit 10-20 Normseiten kosten insgesamt weniger. Auf diese Weise kannst du nicht nur die Arbeit der Lektorin kennenlernen und schauen, ob sie zu dir passt. Du wirst auch selbst erleben, wie stark sich ein professionelles Lektorat auf die Qualität deiner Geschichte auswirken kann.

Mir selbst hat dieses Erlebnis bei meiner Erzählung »The Marvelous Misfits of Westminster«* die Augen geöffnet. Ohne meinen Lektor Joel Pierson wäre die Geschichte nicht so toll geworden. Eine der fundamentalsten Veränderungen während des Lektorats war, die gesamte Geschichte ins Präsenz umzuschreiben, was ihr eine unheimliche Lebendigkeit verleiht.

Weiterlesen

Im zweiten Teil der Serie zu den 7 Todsünden des Selfpublishing geht es um »Zorn über ausbleibendes Lob: Was du auf keinen Fall tun solltest, wenn Rezensionen ausbleiben«.

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