Montage – Schreibe ein intuitives Gedicht aus Fundstücken

Montage – Schreibe ein intuitives Gedicht aus Fundstücken

Andrea Hahnfeld

In diesem Artikel zeige ich dir Schritt für Schritt, wie du mit der Montage-Technik ein eigenes Gedicht aus fremden Worten erschaffst. Du lernst, wie du inspirierende Textstellen findest, auswählst, anordnest – und ihnen eine neue Stimme gibst: deine.

Ideal für Tage, an denen du schreiben willst, aber nicht weißt, wo du anfangen sollst. Wenn du gerne ein schnelles Erfolgserlebnis hättest, das dich in gute Laune versetzt. Oder wenn du Literatur einmal ganz anders erleben möchtest.

Neues aus Altem schaffen

Bei der literarischen Montage handelt es sich um eine Technik des kreativen Schreibens. Dabei fügst du unterschiedliche Texte zu etwas Neuem und Eigenem zusammen. Das können Passagen, Sätze oder Wörter sein. Während des Prozesses lässt du dich von deiner Intuition leiten.

Die Montage-Technik – die unter anderem von Alfred Döblin, Gottfried Benn und Aldous Huxley angewendet wurde — erzeugt überraschende Texte und bringt dich auf ungewöhnliche Ideen. Du kannst sie für alle Textsorten verwenden. Auch in anderen Kunstformen (Musik, Film) wird die Montage-Technik angewendet. In der bildenden Kunst ist sie übrigens als Collage bekannt.

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Schritt 1: Inspirieren lassen

Für diesen Schritt kannst du fremde oder eigene Texte nehmen. Achte darauf, dass die Auswahl nicht zu klein ist. Lies die Texte durch und schreibe alle Sätze auf, die dich intuitiv ansprechen. Denk dabei nicht nach! Wenn dich ein Satz bewegt, notiere ihn. Finde auf diese Weise 25 Sätze. Sobald du 25 Sätze gesammelt hast, beginnt Schritt 2.

Schritt 2: Rosinen picken

Wähle die besten Sätze aus. Vertraue auch in diesem Schritt auf dein Bauchgefühl. Verringere deine Auswahl auf 10 bis 15 Sätze. Diese Sätze sind dein Ausgangsmaterial für die folgenden Schritte.

Schritt 3: Verändern

Schreibe aus den Sätzen einen eigenen lyrischen Text in der Ich-Perspektive. Die Form deines lyrischen Texts ist dabei völlig frei. Dein Text darf sich reimen oder nicht, er darf kryptisch bleiben oder kann konkret werden. Versuche Klang, Rhythmus und Stimmung herauszuarbeiten.

Wende dabei nach Belieben die folgenden Verfahren an:

  • Variiere die Reihenfolge der Sätze.
  • Verdopple die Sätze oder wiederhole sie an anderer Stelle.
  • Verkürze die Sätze.
  • Tausche einzelne Wörter aus.
  • Verändere Zeitformen und Fälle.

Schritt 4: Hinzufügen

Sobald du mit den Ergebnissen aus Schritt 3 zufrieden bist, füge eigene Sätze hinzu. Einzige Bedingung: Schreibe höchstens so viele eigene Sätze, wie du gefundene Sätze verwendest.

Schritt 5: Vorlesen & überarbeiten

Lies nun deinen Text laut vor. Überprüfe dabei, wie er klingt. Überarbeite deinen lyrischen Text, bis du damit zufrieden bist. Du kannst hinzufügen, kürzen oder ändern.

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David Bowie hat eine spezielle Montage-Technik verwendet, um sich für seine Songtexte inspirieren zu lassen: die Cut-Up Methode.

Dabei schneidest du Wörter oder Sätze aus Zeitungen oder handgeschriebenen Texten aus. Dann arrangierst du die Schnipsel in neuen Kombinationen. Der haptische Ansatz der Cut-up Methode unterstützt dabei den kreativen Prozess in besonderem Maße.

Variationen

Die Montage-Methode lässt sich vielfältig abwandeln – hier zeige ich dir ein paar spannende Möglichkeiten zum Weiterexperimentieren.

Benutze nur ein einziges Buch

Wähle ein Buch aus deinem Bücherregal und kreiere auf die oben dargestellte Weise einen lyrischen Text. Das komplette Ausgangsmaterial stammt aus diesem Buch. Das fertige Gedicht ist sozusagen eine Hommage an dein Lieblingsbuch. Selbstverständlich geht das auch mit Filmen oder Gedichten.

Hier ein Beispiel mit Inspiration aus Harry Potter und der Stein der Weisen.*

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Zu einem schönen Schreibspiel wird diese Variante, wenn du mit Schreibpartnerinnen dasselbe Buch für eure Montage-Gedichte nutzt.

Lass den Zufall entscheiden

Du kannst das Ausgangsmaterial auch zufällig finden. Indem du beispielsweise mit 3–5 Würfeln würfelst.

  • Erste Runde: Die Augenzahl bestimmt das Buch auf deinem Regal (z. B. 12. Buch von rechts/links).
  • Zweite Runde: Die Augenzahl bestimmt die Seite (z. B. 15. Seite von hinten/vorne).
  • Dritte Runde: Die Augenzahl bestimmt den Satz (z. B. 6. Satz von oben/unten).
Um es noch zufälliger zu machen, könntest du in eine Bibliothek gehen und dort zufällig ein Buch auswählen.

Songtexte als Grundlage

Du musst nicht gleich ein ganzes Buch lesen, um mit der Montage-Technik neue Gedichte zu schaffen. Auch Kurztexte wie Songs können dir als Inspirationsquelle dienen. Allerdings ist die Gestaltung in diesem Fall etwas herausfordernder, denn Songtexte sind bereits lyrisch verdichtet und die einzelnen Verse lassen sich daher schwieriger verändern.

Ich habe mich an einem Anti-Kriegsgedicht versucht und dafür Textzeilen aus berühmten Anti-Kriegsliedern verwendet.

Vortragen & inszenieren

Für diese Variante nutzt du die Mittel des Theaters. Suche dir einen Ort, an dem du den Text sprechen willst. Statte deinen Ort mit Requisiten aus. Überlege dir eine Körper- und Sprechhaltung. Du kannst auch verschiedene Ansätze ausprobieren (Orte wechseln, Sprechtempo variieren). Sobald du eine Variante gefunden hast, die dir gefällt: Trage deinen Text vor und nimm dich dabei auf Video auf.

Durch den Vortrag erhält dein Text eine Körperlichkeit, die eine weitere Deutungs- und Ausdrucksebene schafft.

Beispiele aus meiner Schreibpraxis

Wie immer teile ich an dieser Stelle praktische Beispiele aus meiner eigenen Schreibpraxis mit dir – so wird die Theorie lebendiger.

Vielleicht möchtest du die Übung zuerst selbst ausprobieren und danach die Beispiele lesen – vielleicht hilft es dir aber auch, vorab ein Beispiel zu lesen und im Anschluss mit deinem eigenen Montage-Gedicht zu starten. Enscheide selbst, wie es für dich am besten ist.

Hier findest du drei Gedichte, die nach der beschriebenen Methode entstanden sind. Dabei zeige ich dir Schritt für Schritt, wie ich aus gefundenen Sätzen ein kleines Gedicht kreiert habe.

Ich hoffe, dir hat die Montage-Technik genauso viel Spaß gemacht wie mir. Natürlich bin ich gespannt auf deinen lyrischen Text. Poste ihn gerne in den Kommentaren. Falls du die Übung mochtest, würde ich mich darüber freuen, wenn du diesen Beitrag teilst.

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Diese Schreibübung basiert auf einem Arbeitsblatt von Lorenz Hippe. Ich habe sie im Modul »Szenisches Schreiben« durchgeführt, das Teil des Masterstudiengangs »Biografisches und Kreatives Schreiben« ist.

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